Methoden der genetischen Laboruntersuchung
Nachfolgend möchten wir Ihnen kurz die in unserem Labor eingesetzten genetischen Untersuchungsverfahren näher vorstellen und hierbei insbesondere auch auf ihre Anwendungsgebiete, aber auch Grenzen der jeweiligen Methode eingehen.
Wichtig ist: mit keiner einzelnen dieser Methoden können alle genetischen Fragestellungen abgeklärt werden. Nur mit einer guten klinischen Verdachtsdiagnose und Wahl des richtigen genetischen Untersuchungsverfahrens kann die genetische Abklärung für Ihren Patienten erfolgreich sein. Gern besprechen wir mit Ihnen die individuell vorliegenden klinischen Befunde und stimmen mit Ihnen gemeinsam sinnvolle Strategien für Ihren Patienten ab.
Zytogenetik
Molekulargenetik
Chromosomenanalyse
Durch die mikroskopische Analyse des für jedes menschliche Chromosom typischen Bandenmusters können Abweichungen von der normalen Chromosomenzahl (numerische Chromosomenaberrationen) oder mikroskopisch erkennbare Veränderungen der Chromosomenstruktur (strukturelle Chromosomenaberrationen) nachgewiesen werden.
Sie erkennt zuverlässig Fehlverteilungen der Chromosomen wie Trisomien (z. B. Down-Syndrom) und Monosomien (z.B. Ullrich-Turner-Syndrom) und zusätzlich auch lichtmikroskopisch sichtbare kleinere Deletionen, Duplikationen, Inversionen sowie Translokationen chromosomaler Abschnitte.
Grenzen: Begrenzt wird die Aussagekraft dieser Methode durch die Bandenauflösung der Chromosomen. Mikrodeletionen und Duplikationen sowie jegliche Sequenzveränderungen in einzelnen Genen können hiermit nicht erkannt werden. Somit kann mit der Chromosomenanalyse auch nicht das Vorliegen einer monogen vererbten Erkrankung oder einer Anlageträgerschaft hierfür beurteilt oder ausgeschlossen werden.
FISH (Fluoreszenz in situ-Hybridisierung)
Bei der FISH werden mit Fluorochromen markierte DNA-Sonden gezielt auf bestimmte, zu untersuchende chromosomale Regionen der Chromosomenpräparate hybridisiert und durch Anregung mit speziellem Licht als farbige Punkte im Fluoreszenz-Mikroskop sichtbar gemacht. Damit kann sowohl auf Metaphasen als auch an einem Zellkern nachgewiesen werden, ob der gesuchte Chromosomenabschnitt in normaler Anzahl (auf den Autosomen zweifach = Disomie) vorliegt. In Folge einer Deletion kann dieser auf einem der beiden homologen Chromosomen auch fehlen oder beispielsweise bei einer Trisomie in dreifacher Form vorhanden sein. Die angewandten DNA-Sonden decken unterschiedlich große Bereiche der Chromosomen ab und kommen bei unterschiedlichen Fragestellungen gezielt zum Einsatz.
Grenzen: Begrenzt wird die Aussagekraft dieser Methode durch die verwendete Sonde. Atypisch gelegene Deletionen/Duplikationen können daher nicht erfasst werden, ebenso wenig wie Dosisveränderungen anderer chromosomaler Regionen oder Sequenzveränderungen in einzelnen Genen als Ursache monogener Erkrankungen.
Molekulardiagnostik
Gen-Sequenzierung nach Sanger
Mit einer Sequenzierung nach Sanger wird bei klinischem Verdacht auf eine monogene Erkrankung gezielt nach krankheitsverursachenden Sequenzveränderungen in den kodierenden Bereichen, sowie angrenzenden, intronischen Bereichen, in einem oder mehreren Genen gesucht. Bei der konventionellen Sanger-Sequenzierung wird jeder Buchstabe (Base) des menschlichen Erbguts (DNA) in einem bestimmten Genabschnitt analysiert. Hierzu wird jeder zu untersuchende DNA-Abschnitt zunächst mittels PCR (Polymerase-Ketten-Reaktion) vervielfältigt. Anschließend wird mit Hilfe von vier fluoreszenzgefärbten Nukleotiden (je eine Farbe für die vier DNA-Bausteine A,C,T,G) dessen Information als Basenfolge über Laserdetektion sichtbar gemacht. Die ausgelesene Erbinformation wird anschließend mit der entsprechenden Referenzsequenz gesunder Kontrollpersonen verglichen. Evtl. Abweichungen werden über spezielle Software bzgl. ihrer funktionellen Auswirkungen analysiert. Zusätzlich erfolgt auch ein Abgleich mit publizierter Literatur, online-Mutationsdatenbanken, online-Datenbanken zu bekannten Sequenzvarianten ohne Hinweis auf klinische Auswirkungen und mit unserer laboreigenen Mutationsdatenbank, um festzustellen, ob die bei Ihrem Patienten nachgewiesene Genveränderung klinisch bedeutsam sein kann. Alle gefundenen Veränderungen werden nach jeweils aktuellem Kenntnisstand laborintern in Anlehnung an das ACMG-Klassifizierungssystem bewertet und als benigne, bzw. wahrscheinlich benigne Sequenzvarianten ohne klinische Bedeutung, als pathogene bzw. wahrscheinlich pathogene Varianten mit klinischer Bedeutung oder als unklare Varianten , für die uns derzeit eine sichere Einordnung bzgl. einer klinischen Bedeutung nicht möglich ist eingeordnet. In diese Bewertung wird zusätzlich auch immer die von Ihnen zur Verfügung gestellte klinische Information zu Ihrem Patienten , sowie unsere langjährige Erfahrung bei der genetischen Diagnostik für die in unserem Zentrum schwerpunktmäßig untersuchten Erbkrankheiten mit einbezogen. Im Befund teilen wir alle gefundenen pathogenen und wahrscheinlich pathogenen Mutationen, sowie unklare Varianten mit, sofern aufgrund der Gesamt-Bewertung eine klinische Relevanz möglich bzw. durch nachfolgende Untersuchungen besser einschätzbar erscheint. Zusätzliche Sequenzvarianten (z.B. Polymorphismen bzw. SNPs) werden nur dann mitgeteilt, wenn z.B. ein modifizierender Effekt diskutiert wird.
Grenzen: Heterozygote Dosisveränderungen des gesamten untersuchten Gens oder einzelner seiner Abschnitte (Exondeletionen/duplikationen) können mit der Sanger-Sequenzierung technisch nicht erfasst werden, ebenso wenig wie strukturelle Umbauten z.B. Inversionen, Translokationen und Mikrodeletionen/Duplikationen, die dieses untersuchte Gen betreffen, sowie Splicesite-Mutationen und Varianten in regulatorischen Regionen außerhalb der analysierten Bereiche.
Eine begrenzte Aussagekraft hat diese Methodik auch bei der Erfassung von Mosaikbefunden. Wichtig ist, dass mit der Sanger-Sequenzierung auch numerische oder strukturelle Chromosomenveränderungen als evtl. Ursache der bei Ihrem Patienten bestehenden klinischen Symptomatik nicht nachweisbar sind.
MLPA (Multiplex Ligation-dependent Probe Amplification)
Die Abkürzung MLPA steht für Multiplex Ligation-dependent Probe Amplification. Mit dieser Methode lassen sich Gendosisveränderungen (Deletionen und Duplikationen einzelner Genabschnitte = Exons) sowie ganzer Gene zuverlässig nachweisen.
Dabei wird ein Sondenpaar an die Template-DNA hybridisiert. Die Sondensequenzen sind so gewählt, dass sie direkt nebeneinander zu liegen kommen und daher von einer Ligase verknüpft werden können. In einem zweiten Schritt werden die ligierten Sondenpaare dann per PCR vervielfältigt. Das Mengenverhältnis der entstandenen Sondenpaare zueinander bleibt während der PCR gleich, wird über eine Kapillarelektrophorese mit Laserdetektion für jede Sonde bestimmt und kann anschließend mit den erhaltenen Werten einer mitgeführten Kontrolle mit bekanntem Genotyp computergestützt verglichen werden.
Grenzen: Begrenzt wird die Aussagekraft dieser Methode durch die verwendeten Sondenpaare. Atypisch gelegene kleinere Deletionen/Duplikationen zwischen den eingesetzten Sonden können daher nicht erfasst werden. Auch Sequenzveränderungen in den untersuchten Genen oder Abweichungen der Chromosomenstruktur (z.B. Translokationen) werden mit dieser Methodik nicht erkannt. Ebenso können mit MLPA auch keine Dosis- oder Sequenzveränderungen in anderen Genen oder Chromosomenveränderungen erkannt werden.
Next Generation Sequencing (NGS, Massive Parallelsequenzierung)
Bisherige genetische Untersuchungsmethoden waren darauf ausgerichtet entweder kleine Abschnitte des menschlichen Erbguts (Einzelgenanalyse mittels Sanger-Sequenzierung) oder große, mikroskopisch sichtbare Veränderungen (Chromosomenanalyse) nachzuweisen. Im Gegensatz dazu ist es mittels der neuen Untersuchungsmethode des NGS möglich, eine Vielzahl von Genen, oder auch das gesamte Exom bzw. Genom gleichzeitig bzgl. der Basenfolge zu analysieren.
Diese neue Art der Sequenzierung wird insbesondere für solche erblichen Erkrankungen eingesetzt, für die Mutationen in vielen verschiedenen Genen verantwortlich sein können, wie z.B. für komplexe Hirnfehlbildungen oder erbliche Netzhauterkrankungen, kindliche Entwicklungsverzögerungen, erbliche Lebererkrankungen oder neurodegenerative Erkrankungen. Hier bieten wir eine gezielte Diagnostik mittels Panels an, die mit der jeweiligen Erkrankungen assoziierte Gene enthalten. Durch eine massive Parallelsequenzierung lassen sich für diese Patienten die krankheitsverursachenden Sequenzveränderungen somit schneller und sehr viel kostengünstiger identifizieren, als dies mit einer Einzelgen-Analyse mittels Sanger-Sequenzierung möglich ist.
Grenzen: Abweichungen von der Chromosomenzahl und der Chromosomenstruktur, Repeatexpansionen, heterozygote Mikrodeletionen und -duplikationen von mehr als 15bp, Varianten in homopolymeren Bereichen oder bei hoher Homologie zu Pseudogenen, sowie Splicesite-Mutationen und Varianten in regulatorischen Regionen außerhalb der analysierten Bereiche können technisch bedingt nicht erfasst werden.
Pränataler PCR-Schnelltest
Der Pränatale PCR-Schnelltest (Devyser Complete v2) erlaubt – wie der FISH-Schnelltest - den Nachweis der häufigsten numerischen Chromosomenstörungen. Hierbei wird über chromosomenspezifische STR-Marker die Anzahl der Chromosomen 13, 18, 21 sowie der Geschlechtschromosomen X und Y bestimmt. Somit können mit dieser Untersuchungsmethode - wie bei der FISH - gezielt die häufigsten lebensfähigen Trisomien in der Schwangerschaft (Pätau-Syndrom, Edwards-Syndrom und Down-Syndrom) sowie Monosomien (z.B. Ullrich-Turner-Syndrom) dieser Chromosomen diagnostiziert werden.
Mit Hilfe dieses molekulargenetischen Verfahrens, sog. QF-PCR (quantitative Fluoreszenz-PCR) kann die Anzahl aller o.g. Chromosomen in einem Ansatz bestimmt werden. Der von uns verwendete Kit beinhaltet insgesamt 27 hochpolymorphe STR Marker und 5 nicht-polymorphe Marker der Chromosomen 13, 18, 21, X und Y. Von Individuum zu Individuum unterscheiden sich diese repetitiven Sequenzen anhand der Anzahl ihrer Wiederholungen. Durch Fluoreszenzmarkierung mit anschließender Kapillargelelektrophorese und Auswertung mit Hilfe der Software GeneMapper können die Ergebnisse analysiert werden. Das Ergebnis liegt innerhalb eines Arbeitstages vor. In vielen Fällen ergibt sich ein unauffälliger Befund für das zu erwartende Kind, wodurch die Schwangere somit schnell und erheblich entlastet werden kann.
Grenzen: Der pränatale Schnelltest erlaubt keine Aussage zur Chromosomenzahl der übrigen Chromosomen. Auch seltene geringgradige chromosomale Mosaikbefunde - in denen nur ein kleiner Teil der der Zellen des Untersuchungsmaterials eine abweichende Anzahl eines der untersuchten Chromosomen aufweist - sind für die untersuchten Chromosomen 13, 18 und 21 im Untersuchungsmaterial und insbesondere auch in anderen Geweben des Feten hiermit nicht zuverlässig erkennbar. Außerdem können Abweichungen der Chromosomenstruktur mit diesem Test nicht erkannt werden. Wird z.B. für das Chromosom 21 ein zusätzliches Signal nachgewiesen (Trisomie 21), dann kann mit diesem Schnelltest nicht zwischen einer freien Trisomie und einer seltenen Translokationstrisomie unterschieden werden. Daher wird im Anschluss an den pränatalen Schnelltest in jedem Fall noch eine Zellkultur mit regulärer Chromosomenanalyse durchgeführt. Dieses Ergebnis liegt etwa 2 Wochen später vor. Sequenzveränderungen in einzelnen Genen als Ursache monogener Erkrankungen können technisch mit dieser Methodik ebenfalls nicht nachgewiesen werden.
Als Untersuchungsmaterial eignen sich natives Fruchtwasser, native Chorionzotten und EDTA-Nabelschnurblut.